Am 30. Januar erschien in der einflussreichen US-Zeitschrift Foreign Affairs ein Beitrag mit dem Titel: „The Trust Gap: How to Fight Pandemics in a Divided Community“ (Die Vertrauenslücke: Wie man in polarisierten Gemeinschaften Pandemien bekämpft).
Der stellvertrende Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Division Gesundheitsnotlagen, Chikwe Ihekweazu, empfahl über Twitter dringend die Lektüre dieses „wichtigen Artikels“, der zeige, wie man in Gemeinschaften ohne Vertrauen die Menschen „zum Handeln mobilisiert“.
Der Artikel ist eine einzige, in schöne Worte gekleidete Ungeheuerlichkeit.
Es fängt an, mit Lob für ein von US-Präsident Joe Biden Ende des Jahres unterzeichnetes Gesetz zur Pandemievorsorge, das die USA und die Welt sicherer gegenüber künftigen Pandemien mache. Dazu heißt es in dem Artikel (übersetzt):
„Das neue Gesetz fördert die schnellere Entwicklung von Impfstoffen und Diagnosetests, größere Vorräte an Schutzausrüstungen und eine verstärkte Überwachung, um tödliche Viren schneller zu erkennen. Diese und andere Gegenmaßnahmen sind sinnvoll, aber sie reichen nicht aus.“
Weniger als ein Jahr hat es gedauert, die experimentellen mRNA-Impfstoffe zu entwickeln und zur Massenanwendung freizugeben, ein Bruchteil der bisher üblichen Zeit. Das sei noch zu lang gewesen, meinen die Autorin und Autoren – zu einer Zeit als lange klar ist, wie schnell diese „Impfstoffe“ ihre Wirksamkeit verloren haben, wie wenig bis gar nicht sie Infektionen verhindern konnten, und zu der immer mehr über eine Vielzahl schwerer bis schwerster Nebenwirkungen bekannt wird.
Auch die anderen schädlichen, grausamen oder lästigen Pandemiemaßnahmen, wie Schulschließungen, Besuchsverbote in Gesundheitseinrichtungen, Lockdowns und Maskenpflicht, deren Nutzen selbst von früheren Befürwortern heute oft nicht mehr gesehen wird, werden in dem Beitrag völlig unkritisch als unbedingt befolgens- und bewerbenswert behandelt. Sogar Karl Lauterbach, dem die Schulschließungen seinerzeit gar nicht lange genug sein konnten, hat diese vor Kurzem als Fehler bezeichnet.
Die drei – alle ausgewiesene Gesundheitsexperten – tun so, als gäbe es all diese Mängel nicht, und als hätten sie nichts damit zu tun, dass die Verantwortlichen für die Pandemiepolitik ihre Glaubwürdigkeit in der breiten Bevölkerung fast völlig eingebüßt haben. Sie nehmen das wahr, schieben es aber allein auf „Pandemiemüdigkeit“:
„In den letzten drei Jahren hat sich die Vertrauenskrise in der Öffentlichkeit noch verschärft. Die Pandemiemüdigkeit hat das Vertrauen der Menschen in die Regierung untergraben, selbst in Ländern, die relativ effektiv auf das Virus reagiert haben.“
Ob es wirklich lediglich an Pandemiemüdigkeit liegt, dass die fortgesetzten Kampagnen, sich die vierte, fünfte und sechste „Impfung“ setzen zu lassen, seit Monaten auf fast gänzlich taube Ohren stoßen?
Glaubwürdigkeit einkaufen
Statt die Politiken, die Vertrauen zerstört haben, zu überprüfen, beschäftigt sich der Artikel mit der Frage, wie man noch mehr vom Gleichen einem misstrauisch gewordenen Volk aufdrücken kann. Als Lösung wird die Strategie empfohlen, die die WHO auch in der Covid-„Pandemie“ schon exerziert hat, nur mehr davon, und von allen Regierungen übernommen werden soll:
„Was die Zusammenarbeit in Gemeinschaften mit geringem Vertrauen anspornt, sind gemeinsame materielle Interessen. (…) In ähnlicher Weise helfen kulturelle, religiöse und verwandtschaftliche Bindungen Gemeinschaften mit geringem Vertrauen, ihr Misstrauen zu überwinden. (…) Um die Zusammenarbeit in Gemeinschaften mit geringem Vertrauen zu ermöglichen, müssen demokratische Regierungen diese Kräfte der Solidarität als Teil ihrer Vorbereitung auf künftige Pandemien nutzen.“
Das könne etwa geschehen, indem in Organisationen, deren Vertreter das Vertrauen der Gemeinschaften genießen „investiert“ werde, etwa in lokale Kliniken oder Glaubensgemeinschaften. Das hätten die zuständigen US-Bundesstaaten in der Corona-Pandemie viel zu wenig getan.
Auch hätten die US-Bundesregierung und die der Bundesstaaten nicht genug publikumswirksamme „Botschafter“ engagiert, etwa Unternehmensführer oder Talk-Show-Moderatoren, die Menschen für die Befolgung der Pandemiemaßnahmen hätten gewinnen können, die der Regierung nicht vertrauen.
Ulkigerweise urteilen die Autorin und Autoren, die Besetzung der Expertenkommissionen mit Ex-Regierungsmitgliedern habe die Wissenschaftsbasiertheit des Ansatzes betont:
„Die Besetzung der frühen COVID-19-Beratungsausschüsse mit medizinischen Experten und ehemaligen Regierungsbeamten unterstrich die Bedeutung eines wissenschaftlich fundierten Ansatzes, man verpasste dadurch jedoch die Gelegenheit, Vertreter von Gemeinschaften einzubeziehen, in denen diese Wissenschaft umstritten ist.“
Man hätte also auch willfährige Kirchenvertreter und den ADAC in die Expertenkommissionen berufen sollen, damit die Schäfchen auch glauben, was die Kommissionen sagen.
Die stellvertretende Kommunikationschefin der UN, Melissa Fleming, beschrieb diesen, von der UN bereits verfolgten Ansatz in einer Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums im September 2022 so:
„Eine weitere wichtige Strategie, die wir verfolgten, war der Einsatz von Influencern, die eine große Fangemeinde haben, aber auch sehr daran interessiert waren, Botschaften zu verbreiten, die ihren Gemeinschaften dienen sollten. Und sie wirkten viel vertrauenswürdiger als die Vereinten Nationen, die etwas aus dem Hauptquartier in New York City erzählen. Und schließlich hatten wir noch ein weiteres Projekt mit vertrauenswürdigen Boten, das Team „Heiligenschein“ (Halo), bei dem wir Wissenschaftler auf der ganzen Welt und einige Ärzte auf TikTok geschult haben. Und TikTok hat mit uns zusammengearbeitet. Und diese Wissenschaftler, die anfangs so gut wie keine Anhänger hatten, bekamen verifizierte Ticks (Profile auf TikTok; N.H.). Sie fingen an, Menschen aus ihrer Gemeinschaft in ihre Labore und Büros zu bringen, deren Fragen zu beantworten und sich mit ihnen auszutauschen. Die Sache nahm richtig Fahrt auf, und viele von ihnen wurden zu so etwas wie Ansprechpartnern für die nationalen Medien.“
Wer sind die Autoren
Zu den Autoren gehört die Deutsche Ilona Kickbusch, eine ehemalige WHO-Gesundheitsfunktionärin mit weiteren Karrierestationen an der Yale-Universität und in Genf und einer Honorarprofessur an der Charité. Heute versilbert sie ihre gesundheitsglobalistische Beratungstätigkeit als Chefin von Kickbusch Health Consult. Sie ist Mitglied im „Global Preparedness Monitoring Board“ von WHO und Weltbank. Mit Unterstützung der Rockefeller Foundation hat sie laut ihrem Wikipedia-Eintrag in Genf einen Ausbildungsgang in Gesundheitsdiplomatie entwickelt. Sie wurde für ihre Leistungen auf diesem Feld mit dem Bundesverdienstkreuz und der WHO-Medaille ausgezeichnet.
Ihr Ko-Autor, Thomas Bollyky, ist Direktor des Globalen Gesundheitsprogramms des Council on Foreign Relations und Senior-Berater der Coalition for Economic Preparedness (CEPI). CEPI wurde 2017 von den Regierungen Norwegens und Indiens, der Bill & Melinda Gates Stiftung und dem Weltwirtschaftsforum gegründet, mit dem Ziel, die Entwicklung von Impfstoffen zu beschleunigen und für eine möglichst umfassende Verteilung zu sorgen.
Der dritte Autor, Michael Bang Petersen (dessen Profil an der Aarhus-Universität veraltet ist), ist Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt in kognitiver und evolutionärer Psycholgoie und Berater der dänischen Regierung in Sachen Corona-Politik. Laut Eigendarstellung hat das von ihm geleitete HOPE-Projekt (HOw deomcracies coPE with Covid-19) „auf gut verständliche Weise erklärt, warum die Restriktionen in Dänemark nötig waren“.